In seinem Fachvortrag unter dem Thema „Bauchwandbrüche: Wann ein Netz und welches Netz?“ stellt Dr. med. Jörg Zehetner, Professor (USC), die Problematik Bauchwandbrüche vor. Dabei bleibt er nicht bei Hernien allein, sondern stellt moderne Operationsmethoden und die Verwendung chirurgischer Netze in der Behandlung von Bauchwandbrüchen vor. Schlussendlich werden spezielle Netze vorgestellt, wie sie in der Swiss1Chirurgie eingesetzt werden. Den Beitrag zum Fachvortrag lesen Sie hier. Einen kompletten Video-Mitschnitt mit zusätzlichen Informationen gibt es hier.


 

Bauchwandbrüche: Wann ein Netz und welches Netz?

Ein Vortrag von Dr. med. Jörg Zehetner, Professor (USC), Swiss1Chirurgie

Die Einteilung der Hernien nach Lage

In einer groben Übersicht lassen sich die Hernien nach ihrer Lage im Körper einteilen. Wir unterscheiden in

– Epigastrische Brüche

– Nabelbruch

– Narbenbruch

– Flankenbruch

– Leistenbruch und

– Zwerchfellbruch.

Der Leistenbruch und der Zwerchfellbruch werden nicht den klassischen Bauchwandbrüchen zugeordnet. Hernien, also Brüche, finden immer dort statt, wo es im betroffenen Gewebe eine Schwachstelle gibt. Eine solche Schwachstelle ist beispielsweise der Nabel, der in der vorgeburtlichen Entwicklungsphase der Übergang der Nabelschnur in den ungeborenen Körper gewesen ist. Hier bleibt immer eine kleine natürliche Lücke zurück, die sich im späteren Verlauf öffnen kann.

Epigastrische Brüche treten bevorzugt an der Mittellinie des Oberbauches auf, da hier das Gewebe relativ dünn ausgebildet sein kann.

Narbenbrüche treten im Zusammenhang mit vernarbten Gewebe auf, dass ohnehin schon geschädigt und damit schwächer ist.

Der Leistenbruch basiert auf einer Schwäche an der Stelle des Leistenkanals, durch den die männlichen Samenstränge laufen oder dort, wo bei Frauen die Gebärmutter „aufgehängt“ ist. Entlang solcher organischer Strukturen können sich Brüche ausbilden.

Das Problem der Brüche besteht darin, dass durch die Bruchlücke beispielsweise der Dünndarm aus seiner normalen Lage heraus durch die Bauchwand gedrückt werden kann, was sich als Ausstülpung (Bruchsack) unter der Bauchhaut zeigt. Durch die Enge des Bruches wird dort der Dünndarm eingeklemmt, was nicht nur zu Schmerzen führt, sondern auch die Darmfunktion bis hin zum Absterben des betroffenen Darmabschnittes beeinträchtigen kann. Deshalb ist es wichtig, dass Patienten mit einem Bruch, der sich nicht zurückschieben lässt, schnell in fachmedizinische beziehungsweise notärztliche Behandlung kommen.

In einem solchen Fall muss entschieden werden, ob der Dünndarm wieder in seine Ausgangslage gebracht und die Lücke geschlossen werden kann, oder ob der betroffene Teil des Dünndarms entfernt werden muss. Auch dann ist ein Schliessen der Lücke erforderlich, um einen erneuten Durchbruch von Darmanteilen zu verhindern.

Versorgung von Bauchwandbrüchen

Die chirurgische Versorgung von Bauchwandbrüchen ist abhängig von der Grösse der Brüche. Sehr kleine Brüche bis zwei Zentimeter können in einer kleinen offenen Operation vernäht werden. Bei einer Bruchgrösse von zwei bis sieben Zentimetern empfiehlt sich eine laparoskopische Operation. Dabei wird die Bruchpforte belassen oder verschlossen. Dabei kann ein Netz eingesetzt werden. Dazu gibt es später weitere Informationen.

Bei Brüchen zwischen fünf und acht Zentimetern Ausmass wird oftmals eine andere Variante eingesetzt. Da es hier schwierig ist, den Bruch laparoskopisch, also praktisch von innen her zu verschliessen, wird eine offene Operation erforderlich sein. Dabei wird eine retromuskuläre Netzeinlage eingebracht, um das umgebende Gewebe zur Korrektur anzuregen und die Bruchlücke wird mit Nähten verschlossen. Bei sehr grossen Brüchen zwischen acht und 20 Zentimetern müssen sämtliche Schichten der Bauchwand getrennt werden, was wir als Komponenten-Separation bezeichnen. Entlastungsschnitte an den Flanken nehmen die Spannung heraus. Auch hier wird eine retromuskuläre Netzeinlage erforderlich sein, um das betroffene Gewebe zu stützen.

Der Nabelbruch

Ein Nabelbruch kann schmerzhaft oder auch nicht schmerzhaft sein. Wird nur ein Fettanteil eingeklemmt, ist der Nabelbruch zumeist schmerzfrei. Sind Dünndarmanteile eingeklemmt, kann das sehr schmerzhaft sein.

Für sehr grosse Brüche eignet sich die laparoskopische Operation nicht. Dann wird es besser sein, die Bauchwand zu öffnen und dann die einzelnen Schichten zu trennen. Danach können die einzelnen Schichten verschlossen und ein Netz eingesetzt werden. Zum Schluss wird dann auch wieder die Haut verschlossen.

Oftmals wird gefragt, warum nicht generell die offene Operation eingesetzt wird. Die offene Methode hat neben der sichtbaren Narbe natürlich einige Nachteile, die sich am besten zeigen, wenn man die Vorteile einer laparoskopischen Operation in den Blick nimmt.

Vorteile der laparoskopischen Chirurgie

Die Vorteile der laparoskopischen Chirurgie lassen sich in einigen Stichpunkten zusammenfassen:

– weniger postoperative Komplikationen

– weniger Wundprobleme

– schnellere Erholung und schnellere Wiederherstellung der normalen Darmfunktion

– kürzerer Aufenthalt im Spital

– besseres kosmetisches Erscheinungsbild (jedoch nicht immer)

– geringere Rezidiv-Raten

Die Ziele einer laparoskopischen Operation bei Narbenbrüchen liegen natürlich zuerst in der dauerhaften Reparatur und damit einem geringen Risiko eines neuerlichen Narbenbruches. Dazu werden alle Verwachsungen möglichst komplett gelöst. Ein genügend grosse Netz kann eingesetzt werden, welches über einen notwendigen Abstand verfügt (overlap). Dabei wird das Netz dauerhaft oder semi-dauerhaft an der Bauchwand fixiert.

Schlussendlich wird eine Bauchwandrekonstruktion vorgenommen, die der normalen Bauchwand sehr ähnlich ist.

Probleme der laparoskopischen Bauchwandoperation

Wie zu erwarten kann eine laparoskopische Bauchwandoperation natürlich auch mit bestimmten Problemen verbunden sein. Ein Problem stellt die postoperative Serombildung dar. Damit ist gemeint, dass ein leerer (toter) Raum zwischen dem ehemaligen Hernienbereich und dem eingesetzten Netz entstehen kann. Dort könnte sich Blut oder Flüssigkeit sammeln. Diese Flüssigkeitsansammlung ist das Serom. Füllt sich dieser tote Raum mit Blut, reden wir von einem Hämatom. Das kann auch zu postoperativen Schmerzen führen. Mögliche Wundprobleme beispielsweise Infektionen lassen sich auch bei laparoskopischen Operationen nicht vollständig ausschliessen, vor allem dann, wenn sich ein Serom oder Hämatom ausbildet.

Eine weitere Problematik könnte eine Vorwölbung oder ein tastbarer Defekt in der Bauchwand sein. Das passiert dann, wenn ein Netz eingelegt, der Defekt aber nicht verschlossen wird. Dadurch könnte sich das Netz wölben.

Zu den weiteren Problemen gehören defekte Netze oder verrutschte Netze, die dann den Defekt nicht mehr oder nicht mehr vollständig abdecken. Möglich sind auch Spannungen an den Nähten, die dann zu Schmerzen führen. Auch wenig zufriedenstellende kosmetische Ergebnisse sind möglich.

Neue laparoskopische Technik

Seit etwa zehn Jahren wird eine neue laparoskopische Technik eingesetzt. Dabei wird grundsätzlich auch der eigentliche Defekt verschlossen. Ziel ist eine möglichst komplette Wiederherstellung der Bauchwand. Dadurch wird ein Ausgleich von Druck und Zug an der Bauchwand erreicht. Dazu kommt die volle Wiederherstellung der Funktion der Bauchwand. Nach den bisherigen Ergebnissen kann von einer verminderten Rezidiv-Rate ausgegangen werden. Ausserdem wird wohl ein weniger grosses Netz erforderlich sein, um den reparierten Bereich gut zu überdecken.

Verschiedene Techniken

Den gesamten Defekt mit einer kompletten Naht zu verschliessen ist eine Möglichkeit, die sich je nach Grösse des Defektes nicht immer ganz einfach darstellt. Dafür braucht es immer ausreichend Platz im Bauchraum.

Eine weitere Technik wäre das Durchstechen des Bruchsackes mit einer Nadel und die Verdoppelung der Faszien. Das stellt sich jedoch recht kompliziert dar und wird entsprechend nur selten zur Anwendung gebracht. Andere Techniken sind möglich, auf die hier jedoch nicht ausführlich eingegangen werden soll.

Warum transfasziale Nähte?

Bei einigen Techniken werden transfasziale Nähte gelegt. Das bedeutet, dass man mit einer Nadel in den Bauchraum hineinsticht und auf der anderen Seite wieder hinaus. Diese Technik erleichtert die Netzpositionierung und verhindert ein „Wandern“ des Netzes bis dieses im umgebenden Gewebe verwachsen ist.

Das Problem diese Methode besteht darin, dass die reine OP Zeit viel länger wird und auch die Operationskosten vergleichbar viel höher sind. Vermehrt werden auch postoperative Schmerzen beobachtet, die bis hin zu chronischen Schmerzen gehen können.

Keine transfaszialen Nähte, keine Schmerzen?

Dazu eine generelle Aussage zu treffen, wäre sicherlich nicht professionell. Eine Studie zeigt jedoch, dass abweichende Nahttechniken nicht unbedingt weniger Schmerzen nach sich ziehen, als transfasziale Nähte. Mittlerweile gibt es aber auch Materialien, die sich nach einer gewissen Zeit selbst auflösen und damit auch anders auf das Schmerzempfinden wirken.

Die neueste Netz Technologie

Die erste Neuerung betrifft das Material. So wird heute statt Polyester das Polypropylen als Material für die Netze verwendet. Darüber hinaus werden Netze mit einem geringen Gewicht und verschiedenen Porengrössen verwendet. Bevorzugt werden grosse Porengrössen, um so wenig Fremdmaterial wie nötig in den Körper einzubringen. Um unerwünschte Verwachsungen der Netze zu vermeiden, werden spezielle Beschichtungen aufgebracht.

Dazu kommen teilweise resorbierbare Netze bis hin zu vollständig resorbierbaren Netzen, wobei letztere jedoch noch in der Erforschung sind.

Welches Netz kann wann verwendet werden?

Die Entscheidung für das jeweils richtige Netz beginnt immer beim Handling. Das heisst, das Netz muss benutzerfreundlich und gut einzubringen sein. Abhängig ist die Auswahl auch von der Bauchwandform und der Qualität des Bauchwand-Gewebes. Schauen muss man auch danach, ob das Operationsgebiet von Infektionen bedroht oder bereits infiziert ist. Das hat Wirkung darauf, ob man sich eher für ein synthetisches Netz, für ein resorbierbares oder für ein biologisches Netz entscheidet.

Je nach Netz muss auch die Gefahr der Bildung eines Seroms oder eines Hämatoms in den Blickwinkel genommen werden. Die Verhältnisse von Spannung und Zug sind ebenfalls zu beachten. Auch die Trennschicht und der allgemeine Gesundheitszustand sind beachtenswerte Faktoren. Studienergebnisse bieten zusätzlich Aufschluss darüber, wie die Erfahrungen mit Netzen unterschiedlicher Arten zu bewerten sind. Alles in allem ist es eine Vielzahl an Faktoren, die bei der Wahl des jeweils besten Netzes zu berücksichtigen sind.

Verfügbar sind derzeit permanente und absorbierbare Netze. Eine genauere Vorstellung der Netze, die bevorzugt von der Swiss1Chirurgie eingesetzt werden, gibt es im Video-Mitschnitt des Vortrages. Dazu sehen Sie auch, wie diese Netze am Bruch positioniert und fixiert werden.


 

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